… und was machst du so im Gasparitsch, Peter?

An dieser Stelle möchten wir einen konkreten Einblick in die Aktivitäten im Gasparitsch geben. Hierfür interviewen wir aktive Personen, die erzählen, was sie im Gasparitsch machen, was sie antreibt und welche Visionen und Wünsche sie haben.

Hallo Peter. Schön, dass du da bist und mit uns das Interview führst. Was machst du so im Gasparitsch?

Das ist eine gute Frage. Weil ich mach’ alles und nichts. Also, ich bin von Beginn an mit dabei, habe das Gasparitsch mit aufgebaut, hatte aber nie eine offizielle Funktion, sondern habe immer das gemacht, was angefallen ist. Das heißt, ich sehe mich so ein bisschen als inhaltlicher Hausmeister vom Gasparitsch, bei dem es darum geht, die Ideen zu platzieren, auf den Weg zu bringen und gemeinsam mit anderen umzusetzen. Und das umfasst sowohl einzelne Aktivitäten wie bspw. die Feste, aber auch längerfristige Projekte wie das Gaspa Blättle.

Der inhaltliche Hausmeister – interessante Umschreibung. Was beinhaltet das für dich denn noch?

Vieles dreht sich darum das Alltagsgeschäft am Laufen zu halten. Darunter fällt die Mails zu beantworten und überhaupt mal zu überlegen, was braucht denn das Gasparitsch vielleicht noch, wie können wir das Gasparitsch weiterentwickeln? Dazu gehört aber auch Anfragen zu beantworten, aufkommende Fragen und Probleme zu bewältigen oder auch zu überlegen, wie man das Gasparitsch ausbauen kann – und das auf allen Ebenen, also sowohl räumlich als auch inhaltlich.

Du hast gesagt, du bist seit Anfang an dabei. Wie kam es denn dazu, dass das Gasparitsch entstanden ist?

Da gibt es zwei Arten die Geschichte zu erzählen. Die eine Art oder das eine Herz, was in meiner Brust schlägt, ist meine ganz intrinsische, persönliche Motivation. Im Stuttgarter Osten gab es schlichtweg keinen Raum, keinen offenen Raum, in dem man sich einfach mal treffen konnte oder in dem Leute, die jetzt nicht unbedingt was kaufen wollten, einfach mal Zeit verbringen konnten.
Damals gab es im Osten noch so was wie selbstorganisierte Stadtteilkinos, die dann keinen adäquaten Raum hatten, in denen das stattfinden hätte können, ohne Saalmieten zu bezahlen. Ich hatte also schlichtweg die intrinsische Motivation sich und anderen einen Raum zu schaffen, in dem man sich treffen kann, in dem aber auch verschiedene Initiativen Platz finden und in dem man für den Stadtteil da sein kann.
Und da trifft es sich auch mit der zweiten Art die Geschichte zu erzählen oder dem zweiten Herz in meiner Brust: Denn es war auch ein politischer Ansat tatsächlich einen Raum zu schaffen, der von verschiedenen Menschen genutzt werden kann und der als zentraler Anlaufpunkt auch für die Menschen hier in Stuttgart Ost genutzt werden kann. Sei es, um verschiedene Angebote zu schaffen, sei es, um sich zu treffen, sei es um sich auszutauschen bei Kneipenabenden oder sei es, um irgendwas zu organisieren, zu planen – und um den Stuttgarter Osten und die Welt ein wenig schöner und besser zu machen.

Und wie sah das denn konkret aus dann, also von der ersten Idee bis zum Stadtteilzentrum?

Wild – das ist die Zusammenfassung. Tatsächlich haben sich diese zwei Motivationen, also der politische und der persönliche Anspruch ziemlich gut getroffen. Neben mir gab es natürlich noch weitere Leute, die das mit realisieren wollten. Und am Anfang war es wirklich so, dass wir für uns überlegt haben: „Wir wollen cooles Zeug hier in Stuttgart Ost machen. Aber wo machen wir das denn? Wo verorten wir uns? Hey, wir brauchen einfach einen Raum.“
Konkret war es so, dass wir am Anfang regelmäßig Nachbarschaftsfrühstücke im Park gemacht haben. Wir haben also den öffentlichen Raum genutzt, um darauf aufmerksam zu machen, dass Räume zum Leben, zur Freizeitgestaltung und zum Politik machen fehlen. Durch die Frühstücke im Park haben wir das Thema aufgemacht und sichtbar gemacht, aber hatten natürlich auch eine gute Zeit, weil der Park natürlich auch der perfekte Ort ist, um zu frühstücken und zusammenzukommen. Im Winter war es halt aber schlichtweg nicht möglich die Frühstücke durchzuführen.
Das war aber nicht das Einzige. Sondern wir haben dann schnell auch für die Idee eines sozialen Zentrums in Stuttgart-Ost geworben, zu Treffen eingeladen und eine Initiative ins Leben gerufen, die sich dann im Schlampazius getroffen hat. Wir haben dann festgestellt, wir brauchen eine Vereinsstruktur, einen Trägerverein, der sich zur Aufgabe macht, dieses Vorhaben zu tragen und letzten Endes auch die rechtliche Form, so ein Stadtteilzentrum auch realisieren zu können. Den Verein haben wir dann auch gegründet. Das war 2012, also vor langer, langer Zeit.
Nach anfänglichen organisatorischen Schwierigkeiten haben wir uns dann auf die Suche nach Räumlichkeiten gemacht. Dazu muss man sagen, dass die finanziellen Möglichkeiten damals mehr als begrenzt waren. Also wären wir von den tatsächlichen Möglichkeiten damals ausgegangen, dann hätten wir uns in Stuttgart-Ost vielleicht einen Keller oder eine Garage mieten können.
Wir hatten aber höhere Ansprüche, da wir von den skizzierten Inhalten und Zielen ausgegangen sind und natürlich von dem, was wir alles machen wollen. So kam es dann auch, dass wir auf der Suche nach Räumlichkeiten uns ganz, ganz viele verschiedene Dinge angeschaut haben, die leider sehr oft ganz, ganz schrecklich – und unverschämt teuer waren. Teilweise stehen auch die Räume heute noch leer. Erschreckend war, dass es nicht nur einmal versucht worden ist, uns übers Ohr zu hauen.
Long story short: Durch einen Zufall ist jemand an den jetzigen Räumlichkeiten vorbeigelaufen und hat gesehen: „Huch, das ist leer.“ Dann haben wir herausgefunden, wer das vermietet, haben da angerufen und dann war es eigentlich klar, dass wir es haben wollen.

Ja, aber dann hat ja schon einige Zeit gedauert, bis ihr eine geeignete Räumlichkeit gefunden habt. Gab es denn auch kritische Phasen?

Auf jeden Fall. Also die kritischste Phase was sicherlich die, als wir was in Aussicht hatten, was eigentlich auch ganz cool war und wir uns das tatsächlich ganz gut vorstellen konnten. Da gab es allerdings ein paar bauliche Hürden und das war einer der Fälle in denen versucht wurde, uns übers Ohr zu hauen. Als wir das dann realisiert haben hat uns das schon in ein kleines Loch gestoßen. Und dann war klar: Entweder wir finden jetzt was oder das wars. Und dann haben wir mit einigen Anstrengungen die heutigen Räumlichkeiten gefunden.
Und ja, es hat eine Weile – ganze 2 Jahre – gedauert. Man muss aber sagen, in dem Moment, in dem es konkret geworden ist, da gab es einen Schub, nicht nur einen Energieschub für alle Beteiligten, sondern einfach auch für alle Umstehenden und alle die es mitbekommen haben. Mit konkreten Räumlichkeiten in Aussicht wurde die Idee des Stadtteilzentrums für viele erst wirklich greifbar.
Davor war das so etwas, was eigentlich nicht denkbar ist. Ein paar Spinner machen sich auf die Suche nach einer Räumlichkeit, die sie selbst finanzieren wollen. Sie wollen keine Finanzierung von der Stadt haben, sondern sie wollen das selbst stemmen. Und das auch noch in Stuttgart. Total verrückt.
Mit der Räumlichkeit wurde die Idee greifbar und dass die Idee durchaus Anklang gefunden hat, konnte man an den Rückmeldungen und an dem Zuspruch sehen. Unvergessen sicherlich das Frühstück im Park mit 70-80 Leuten, bei dem wir das erste Mal die Räumlichkeiten angeschaut haben. Das war schon ziemlich, ziemlich cool.
Und noch kurz dazu, dass es so lange gedauert hat: ich denke hier muss man ein bisschen unterscheiden. Ich glaube, wenn man ein größeres Vorhaben hat – was die Schaffung des Stadtteiilzentrums zu der Zeit definitiv war – , dann dauert es immer ein bisschen, da es ja ein ganzer Wulst an Organisation, an Planung etc bedeutet und das hat dann ab einem gewissen Zeitpunkt auch ganz gut funktioniert.
Und letzten Endes haben wir dann innerhalb von einem Dreivierteljahr den Mietvertrag unterschrieben, haben alles komplett renoviert, eine Küche eingebaut und die Eröffnungsfeier geplant und durchgeführt. Von der Schlüsselübergabe bis zur Eröffnung waren es letztlich nur dreieinhalb Monate.

„Es ist nicht nur der eine Moment oder die eine Sache, wenn ich ans Gasparitsch denke, sondern es ist eher die Idee und diese Idee lässt sich am besten in Form von Solidarität und Kollektivität oder kollektive Momente ausdrücken.“

Schon sehr interessant, das noch mal zu hören. Was macht denn für dich das Stadtteilzentrum zu etwas Besonderem? Außer, dass du jetzt von Anfang an mit dabei bist, dass du diese Ideen mit mitgetragen hast und der inhaltliche Hausmeister bist. Was macht das Gasparitsch für dich aus?

Naja, meine Geschichte ist halt sehr stark damit verbunden wie sich das Gasparitsch entwickelt hat. Und ich glaube, es sind schon die Eckpunkte für die das Gasparitsch steht und die es für mich besonders machen. Der Aspekt der Selbstorganisation und der Unabhängigkeit sind mir sehr wichtig, aber auch, dass wir eine Infrastruktur bieten und damit auch eine Möglichkeit für alle erschaffen, sich einzubringen. Der wesentlichste Punkt für mich ist aber, dass das Gasparitsch kollektive Momente erlebbar und erfahrbar macht. Also einen Beitrag dazu leistet, die Vereinzelung zu überwinden, sei es im Sozialen, sei es im Kulturellen und sei es auch im Politischen. Und einen Raum zu haben, in dem die Individualisierung und die Vereinzelung durchbrochen werden kann, natürlich nur zum Teil.

Jetzt bist du ja schon ein paar Jahre dabei. Kannst du uns deine Highlights und deine Tiefpunkte in Bezug auf das Gasparitsch nennen?

Ich glaube, ein Highlight habe ich vorher schon erwähnt. Also die erste Besichtigung mit 70-80 Leuten im Rahmen des Nachbarschaftsfrühstücks bevor es das Gasparitsch überhaupt gab. Das war ein sehr cooler Moment, weil wir dann gemerkt haben: „Okay, das findet Anklang.“ Es ist nicht nur ein Hirngespinst, das ist nicht nur eine verrückte Idee, sondern es ist real und andere Leute finden das gut.
Ein zweites Highlight muss ich auch gleich ganz am Anfang verorten: nämlich die Eröffnung. Die Zeit zwischen dem Unterschreiben des Mietvertrages, bis wir in die Räumlichkeiten rein und tatsächlich dann das Eröffnungsfest feiern konnten. Diese Zeit war sehr intensiv. Wir mussten sehr viel renovieren. Niemand von uns hatte vorher jemals einen Laden aufgemacht, also sei es kommerziell oder einen selbstorganisierten Laden. Das heißt, wir mussten ganz viel selber machen und ganz viele Überlegungen anstellen, die man davor einfach auch gar nicht auf dem Schirm hat. Und es war ein krasses Gefühl, als der damalige Vorstand dann die Eröffnungs gehalten hat. In dem Moment hat sich bei mir sehr viel gelöst. Vor vollem Haus hat der Vorstand die Eröffnungsrede gehalten und viele von uns konnten praktisch jedes Wort mitsprechen, weil man es gefühlt 100 mal davor durchgelesen und -diskutiert hatte. Das war ein sehr emotionaler Moment und gleichzeitig hat es eine Aufbruchsstimmung bei uns ausgelöst – im Sinne von „Jetzt geht’s endlich los!“. Und rückblickend kann ich sagen, dass die Aufbruchsstimmung absolut gerechtfertigt war und wir in der bisherigen Zeit schon ganz viel auf den Weg gebracht haben!
Ein Tiefpunkt war sicherlich die Corona-Zeit. Als soziokulturelles Zentrum, als Zentrum, das von sozialer Interaktion lebt, war das einfach ein herber Einschnitt. Für uns weniger auf finanzieller Ebene, aber gerade wenn man sich auf die Fahne schreibt die Vereinzelung zu durchbrechen, dann wiegt eine Isolation und Ausgangssperre schon sehr tief. Das war schon ein herber Einschnitt. Wir konnten dann auch beobachten, dass zwar der „inner circle“ zwar stabil geblieben ist, aber alles um diesen herum schon auch angefangen hat, zu bröckeln. Das heißt, die verschiedenen Gruppen, die sich hier getroffen haben, hatten teils Probleme oder ganze Angebote, vor allem im sozialen Bereich, sind weggefallen.

Verstehe. Gibt es aber vielleicht auch etwas, was du aus der Corona-Zeit mitnehmen kannst?

„Die Idee eines selbstorganisierten sozialen, politischen, kulturellen Raums würde jedem Stadtteil, jeder Stadt und der Gesellschaft sehr gut tun. Ganz im Sinne von:
Schafft 1, 2, 3, viele Gasparitschs.“

Ich fange erstmal wieder mit dem Negativen an, um danach zu dem Positiven zu kommen. Also neben all dem, dass Sachen nicht mehr so funktioniert haben und dass man weniger Leute erreicht hat, gab es ja leider auch die Verschwörungs“theoretikerinnen“, die in Stuttgart auch noch eine Hochburg hatten. Diese haben ihren Individualismus über alle anderen gestellt, haben den Blick auf wilde Verschwörungen gelenkt und damit den Blick auf das Wesentliche verstellt. Und obwohl das in der Stadt durch die riesigen Demos und durch die Medien sehr präsent war, hat sich entgegen der Individualisierung und Isolation in der Zeit – und das ist jetzt das Positive – eine starke Solidarität untereinander emtwickelt. Leute, die einfach gar nichts miteinander zu tun hatten und sich dann aber zumindest virtuell oder aus der Entfernung die Hand gereicht haben. Menschen sind für ihre Nachbarinnen einkaufen gegangen, haben Sachen organisiert und haben auch gemeinsam ihre Interessen geteilt.
Für mich ist die dort sichtbar gewordene Solidarität und der Zusammenhalt, der da zumindest punktuell entstanden ist, schon etwassehr positives und an dem es auch anzuknüpfen gilt.

Schauen wir jetzt wieder in die Zukunft. Was ist denn deine Vision oder dein Wunsch fürs Gasparitsch?

Wünsche habe ich natürlich ganz viele. Ein konkreter Wunsch ist, dass das Angebot im Gasparitsch nicht nur als Konsumangebot wahrgenommen wird, sondern dass es tatsächlich auch als die Möglichkeit der Gestaltung wahrgenommen wird, als Möglichkeit für Menschen, die was verändern wollen und für Menschen, die den Stadtteil (noch) besser machen wollen, für Menschen die einfach vorangehen und die sich beteiligen wollen. Das sind eher die konkreten Wünsche.
Meine Vision handelt eher davon, dass das Gasparitsch auch Vorbild ist. Es geht nicht nur um das Gasparitsch an sich, sondern es geht eher um die Idee, die im Gasparitsch lebt und weiterentwickelt wird. Die Idee eines selbstorganisierten sozialen, politischen, kulturellen Raums würde jedem Stadtteil, jeder Stadt und der Gesellschaft sehr gut tun. Ganz im Sinne von: Schafft 1, 2, 3, viele Gasparitschs.

Gut. Und jetzt eine ganz konkrete Frage. Es ist Freitagabend. Du bist in der Kneipe. Was würdest du denn am liebsten trinken?

Ein alkoholfreies Bier.

Und denkst du ans Gasparitsch, denke ich an?

Wegen der Frage leider zuerst an Heinrich Heine1Peter bezieht sich hier wegen des Anfangs auf „Denk‘ ich an Deutschland in der Nacht, …“, dem Gedicht „Nachtgedanken“ von Heinrich Heine..
Und danach dann an Solidarität und kollektive Momente. Das sind die zwei wesentlichen Stichworte wofür das Gasparitsch steht und was für mich auch das Gasparitsch ausmacht. Es ist nicht nur der eine Moment oder die eine Sache, wenn ich ans Gasparitsch denke, sondern es ist eher die Idee und diese Idee lässt sich am besten in Form von Solidarität und Kollektivität oder kollektive Momente ausdrücken.

Vielen Dank für das Gespräch.


Gasparitsch Stammtisch

In lockerer Kneipenatmosphäre sprechen wir über das Gasparitsch, Ideen für neue Angebote oder wie man das Stadtteilzentrum und den Stadtteil noch besser machen können!
jeden letzten Dienstag im Monat um 19 Uhr


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    Peter bezieht sich hier wegen des Anfangs auf „Denk‘ ich an Deutschland in der Nacht, …“, dem Gedicht „Nachtgedanken“ von Heinrich Heine.
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