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Stadtteilkolumne: Team Staatsmannschaft

„Ich möchte flüchten – flüchten vor diesem verrückten Jahr, oder eher vor diesem verrückten Sommer.“

„Diese Freiheit, die ich meine, … nennt sich Maja.“ Seitdem ich von dem Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe des Blättle erfahren habe, geht mir diese Textzeile beständig durch den Kopf. Das lässt bestimmt tief blicken – oder eben nicht. Ich bin mir nicht sicher.

Während ich diesen Gedanken nachhänge, begebe ich mich auf den Weg. Auf den Weg durch die Außengebiete von Stuttgart-Ost. Ich begebe mich hoch hinaus und versuche, mich durch die Kleingärten ins Dickicht des Waldes zu schlagen. Denn ich möchte flüchten – flüchten vor diesem verrückten Jahr, oder eher vor diesem verrückten Sommer.

Denn ein Highlight jagt das nächste, so mag man uns zumindest glauben machen. Nach dem Sommermärchen 2024 der EM 2024 kam schon Olympia. Zehntausende von Menschen quälten sich bei hohen, schwülen Temperaturen und Gewittern in den Stadien, vor riesige Leinwände, in extra eingerichteten Public Viewings und sogar in der Seine in Paris. Ein Sportsommer sondersgleichen.

Flüchten musste ich immer wieder – vor Fanutensilien und vor der Rede über „unsere Jungs und Mädels“. Nicht nur einmal kam ich bei meinen Spaziergängen an diversen Shops vorbei, in denen ich Blumenketten in Nationalfarben, Fähnchen und Bonbons in Deutschlandfarben hätte kaufen können – und das alles zur Unterstützung unserer „Jungs“ (und im Falle von Olympia auch unserer „Mädels“).

Vielleicht liest man es heraus: So ganz überzeugt bin ich nicht vom Freudentaumel über „unsere Jungs“, „unsere Mädels“ sowie über die Titel und Medaillen, „die wir geholt“ (oder eben auch nicht geholt) haben.
Trotz ausgiebigem Olympia-Konsums – auch von Sportarten, von denen ich zuvor nicht mal wusste, dass es sie gibt – wurde mir in diesem Sommer noch keine Medaille um den Hals gehängt. Mir ist dabei auch bislang der Zusammenhang von „uns“ – also den Spitzensportler*innen, von denen nicht wenige Millionäre sind, und mir selbst, meinen Nachbarn und anderen – auch nicht ganz klar geworden. Ist es der Zufall, dass wir im gleichen Land geboren sind, der uns so stark vereint, dass wir von „unseren Jungs und Mädels“ sprechen dürfen? Und meine Verbundenheit, aber auch meine Unterstützung, bringe ich durch das Tragen der Nationalfarben (wohlgemerkt, die ich mir auch noch selbst kaufe) zum Ausdruck?

Fragen über Fragen… und während ich darüber nachdenke, klingt in meinen Ohren: „Du und dein Boss haben nichts gemeinsam bis auf das Deutschlandtrikot.“ Diese Zeile der Berliner Rapper KIZ bringt pointiert auf den Punkt, was ich versuche, mir selbst zusammenzureimen.

Mittlerweile bin ich weit über den Dächern von Stuttgart angekommen und blicke hinab. Ich blicke auf den verdreckten Neckar, auf die eng bebauten Häuser, auf diverse Gelände der EnBW und das Stadion. Kurios: Während die diesjährigen Sommermärchen gefeiert und kräftig bezuschusst werden – knapp 40 Millionen für den Stadionumbau und 30 Millionen für Public Viewings – herrscht in der Stadt Wohnungsnot, rechte Politik, soziale Sicherungssysteme werden abgebaut und vieles mehr. Für die Linderung der Wohnungsnot, für soziale und solidarische Politik hat die Stadt leider kein Geld vorgesehen oder gar übrig. Komisch, dass keiner der uns doch vermeintlich eng verbundenen Spitzensportler*innen kommt und von seinem eigenen Geld Linderung verschafft.

Naja, vielleicht im nächsten Märchen, das uns bevorsteht.

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