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Geschichte des Waldheim Gaisburg

Von Dieter Lachenmayer/Reiner Hofmann

Das Waldheim Gaisburg wurde gegründet am 31. März 1911 in der Gaststätte „Stern“ in Gaisburg. Am 7. Mai 1911 eröffnete der 1. Vorsitzende des Vereins Waldheim Gaisburg Matthias Grözinger das Waldheim Gaisburg im Stuttgarter Osten. Festrednerin war Clara Zetkin, Festredner der 1. Bezirksleiter des Stuttgarter Metallarbeiterverbands Robert Dißmann und Friedrich Westmeyer. In diesen Jahren vor dem 1. Weltkrieg waren sie bekannt und beliebt als besonders konsequente Vertreter der Arbeiterbewegung, für Frieden und Völkerfreundschaft, vor allem der Kampf um die Erhaltung des Friedens war mit der Hauptinhalt der Festreden.

„Hier bin ich Mensch, hier kann ich’s sein.“

Am Anfang stand ein Traum, der zu einer realistischen Idee wurde: Der Traum war es, der Not zu entrinnen, ein neues selbstbestimmtes, weniger mühseliges Leben führen zu können; die Idee war es, eine andere Gesellschaft zu gestalten, das eigene Schicksal gemeinsam in die Hände zu nehmen und anzupacken, sich zu organisieren. Die in Stuttgart geborene und umgesetzte Waldheimidee hatte den Sinn, den Arbeiterfamilien Möglichkeiten zu Freizeit und Erholung zu schaffen, die die Gesellschaft ihnen vorenthielt. Das Waldheim war Teil eines ganzen Netzes von Selbsthilfeeinrichtungen der Arbeiterbewegung, Kultur-, Sport- und Konsumvereinen, die in ihrer Summe eine Gegenstruktur zum Kultur- und Alltagsleben der bürgerlich privilegierten Schichten bildeten. Auch die Grenzen dieser Idee wurden benannt:

„Es wäre blöde Utopie, die ’soziale Frage‘ durch solche Unternehmungen auch nur teilweise lösen zu wollen. Wirklich frei werden kann die Arbeiterschaft – ganz gleich, ob sie mit dem Kopfe oder der Hand arbeitet, ob sie dem Privatkapital oder dem Staat frondet – nur durch die Vernichtung des kapitalistischen Wirtschaftssystems überhaupt. Der ‚Zukunftsstaat‘ läßt sich nicht parzellenweise zusammenkaufen. Aber einem kann das Waldheim dienen, nämlich dem Besitzlosen für ein paar Freistunden, in denen er dem Kapital nicht fronden braucht, ein Plätzchen zu sichern, auf dem er als Gleicher unter Gleichen sprechen kann: Hier bin ich Mensch, hier kann ich’s sein.“

Der Traum von einem besseren Leben ist unter vielen Opfern, unter Kämpfen, Siegen und Niederlagen bis hin zu Faschismus und Krieg, heute ein Stück weit in Erfüllung gegangen; für viele, lange noch nicht für alle! Die Verwirklichung der Idee einer neuen solidarischen Gesellschaft ohne Ausbeutung und Krieg steht weiterhin auf der Tagesordnung.
Am Waldheimgedanken hat sich vieles geändert und vieles ist gleich geblieben. Das Waldheim ist auch heute noch Teil einer Gegenkultur. Ein Haus und ein wunderschönes Stück Natur, in dem es Platz für Entspannung und Erholung, Raum für Veranstaltungen, Initiativen und Projekte, Gelegenheit zum Austausch und zur Diskussion gibt.
Ein Angebot zur Selbsthilfe und zur Selbstverwirklichung, ein Treffpunkt für Menschen, Gruppen und Initiativen, die für Gerechtigkeit, Frieden, Erhaltung der Umwelt, Solidarität und Demokratie eintreten.
Wir alle dürfen stolz darauf sein, das das Waldheim seit über hundert Jahren den Ideen seiner Gründerinnen und Gründer treu geblieben ist. Allen, die dabei mitgeholfen haben gebührt Dank.
Sie alle hofften und hoffen, ob sie nun gestorben sind oder noch leben, dass unser Waldheim auch unter den veränderten und schwierigen Bedingungen der Gegenwart und der Zukunft auch weiterhin seine Aufgaben im Geiste der Gründergenerationen erfüllen kann.

Das Waldheim bleibt ein Angebot auch an die neuen Generationen. Wir laden alle ein es gemeinsam zu nutzen und zu gestalten.


Lektüretipp

Friedrich Westmeyer: Von der Sozialdemokratie zum Spartakusbund. Eine politische Biographie

ISBN-13: 9783879757190
Nur noch antiquarisch verfügbar.


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