An dieser Stelle möchten wir einen konkreten Einblick in die Aktivitäten im Gasparitsch geben. Hierfür interviewen wir Personen, die im Gasparitsch aktiv sind und uns einen Einblick in ihre Tätigkeiten, Visionen und Wünsche geben.
Kannst du dich kurz vorstellen?
Ich bin Barbara und ich bin seit Anfang an im Gasparitsch mit dabei.
Also seit der Gründung vor sieben Jahren?
Schon davor, als wie die Räumlichkeiten hier noch nicht hatten.
Und was machst du im Gasparitsch?
Ich mache im Gaspa das Frühstück, habe zwei Jahre ein Angebot „Kreativ für alle“ gemacht (das war mehr oder weniger eine Kindergruppe), wir haben seit Corona die Häkelgruppe, ich bin in der Fest-AG und im offenen Aktiventreffen und mittlerweile auch im gaspa-Blättle dabei.
Dass du beim Blättle, dem Frühstück und in der Häkelgruppe bist, das wusste ich bereits. Aber wenn du alles aufzählst, sind es ja echt einige Gruppen, in denen du aktiv bist. Vermutlich hast du das nicht alles von Anfang an gemacht, oder?
Ja, klar. Als sich der Verein gegründet hat (2012; Anmerkung der Redaktion) da waren wir ja in den Räumen der Falken (SJD – Die Falken Stuttgart; Anm. d. Redaktion). Wir haben da unsere ersten Treffen gemacht und ich war diejenige, die fürs Essen zuständig war. Dadurch ist dann auch das Nachbarschaftsfrühstück entstanden. Als wir noch keine Räumlichkeiten hier hatten, haben wir uns immer am ersten Sonntag im Monat im Klingenbachpark getroffen und haben da Frühstück gemacht für alle Leute. Später fand das Frühstück dann hier in den Räumen statt (heutige Gasparitsch-Räumlichkeiten; Anm. d. Red.), weil es ein unheimlicher logistischer Aufwand ist, wenn du keine eigenen Räume hast und heißen Kaffee und schmutziges Geschirr hin- und herfahren musst. Ich habe auch mal dieses Kreativangebot für alle gemacht und da waren immer zwischen fünf und sieben Kinder, teilweise mit Mamas, teilweise mit Omas. Wir haben immer freitagnachmittags gemalt, gebastelt, gebacken und manchmal auch nur gespielt. Das war unheimlich schön, weil nicht nur die Kinder da waren, sondern du hattest auch die Eltern dazu und hattest einen guten Kontakt in den Stadtteil.
Ganz schön viele Kinder, die regelmäßig beim kreativen Nachmittag waren.
Anfangs war es etwas zäh, aber es hat sich rumgesprochen und dann kamen auch mehr Kinder. Es waren außerdem auch immer Mamas dabei. Das war einfach eine schöne Zeit und ich fände es schön, wenn wir es wiederbeleben könnten. Das Kreativangebot symbolisiert für mich auch die Idee des Stadtteilzentrums. Also Angebote öffentlich zugänglich zu machen und den Menschen das Sagen zu lassen. Wir saßen oft mit den Kindern da und haben gefragt: „Was wollt ihr das nächste Mal machen? Ich bin nicht eure Animateurin.“ Und dann kamen so Ideen wie Tassenkuchen zu machen. Das war eine große Herausforderung, denn ich bin nicht die große Bäckerin. Oder Ideen wie, wir gehen in den Park und spielen Ball. Also den Kindern die Idee von diesem Stadtteilzentrum vermitteln: ich kann da mitmachen, ich muss halt hinkommen und ich muss auch sagen, was ich will. Und dann entstehen auch Gruppenprozesse, wenn da 5-6 Kinder sitzen und der eine will backen, der andere will Fußball spielen. Sie haben sie sich dann abgesprochen, abgestimmt und teilweise Pläne gemacht.
Diese Vorgeschichte finde ich total spannend, denn ich war das erste Mal ungefähr 2018 im Gaspa und da gab es die meisten der aktuellen Gruppen schon. Wie kam es eigentlich, dass du mit anderen zusammen gesagt hast: in Stuttgart-Ost muss es ein Nachbarschaftszentrum geben?
Mir sind solche Räume und Orte einfach wichtig. Also Räume und Orte, wo Menschen sich einbringen können, auch ich mich selber. Es geht mir dabei zudem darum aufzuzeigen, dass es noch andere Möglichkeiten gibt, um sich zu beteiligen als nur vom Bezirksbeirat gefragt zu werden, ob ich jetzt da einen Parkplatz haben will oder eine Parkbank. Oder wenn ich in die Kneipe gehe und mich mit jemandem treffe, dann muss ich konsumieren. Mir sind solche Räume wichtig, wo man einfach kommen kann; wo nichts muss, aber alles kann. Klar gibt es da Regeln. Das ist wie überall, wo mehrere Menschen zusammentreten. Aber im Gaspa ist dieses gelebte „Ich kann Einfluss nehmen auf das, was mich unmittelbar betrifft“. Und auch im weiteren Sinne: durch den Austausch mit anderen und das eigene Engagement entwickeln sich weitere Themen für weiteren Austausch und Engagement. Deshalb entspricht die Idee vom Gasparitsch eigentlich genau dem, wie ich mir Gemeinschaft und mein Leben vorstelle.
Also wenn ich es richtig verstanden habe: einen Raum schaffen, wo Menschen willkommen sind, ohne Geld ausgeben oder sich verbiegen zu müssen; wo sie sich einbringen können und an gewissen Punkten vielleicht auch einbringen müssen. So wie du den Kindern gesagt hast, dass du nicht ihre Animateurin bist.
Ich habe den Kindern gesagt: wir schaffen hier eine Basis, einen Raum. Es gibt Stifte und Spiele und ihr könnt selbst entscheiden: sollen wir den ganzen Tag auf dem Boden sitzen und uns den Ball zuwerfen oder was möchtet ihr machen? Und dann auch aktiv zu überlegen, was es denn braucht um die Entscheidungen umzusetzen. Also wenn wir Tassenkuchen backen: was brauchen wir? Ich komme mit dem pädagogischen Background, dass ich glaube, je früher man irgendwo willkommen ist, etwas lernt und selbst mitgestaltet, dann trägt man auch in Zukunft diese Verantwortung. Man darf, man kann, aber man muss sich hier nicht notgedrungen beteiligen. Aber durch den Austausch entsteht in der Regel mehr und wenn es dann bloß Bekanntschaften oder Freundschaften werden. Ich wünsche mir, dass das Gasparitsch einfach wahrgenommen wird als ein Stadtteilzentrum, wo nicht nur eine bestimmte Generation hingeht. Vermutlich bin ich ja eine der ältesten hier im Aktivenkreis. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass es heißt: „Da kommt jetzt diese ältere Dame, die Barbara. Die wurstelt da umeinander und gestaltet da 1. Mai-Feste mit. Nee, das wollen wir nicht.“ Mir fällt auf, dass ich so akzeptiert werde, wie alle hier akzeptiert werden. Und das kann nur an solchen Orten entstehen und das ist für mich etwas Besonderes am Gasparitsch.
Du hast es jetzt gerade schon angesprochen und das ist auch eine Frage auf meiner Liste: was ist für dich das Besondere am Gaspa?
Dieses Miteinander und dieses Gefühl, das hier eine Gemeinschaft ist. Auch wenn es erst mal nur der Raum ist, der dieses Gemeinschaftsgefühl bewirkt, also, dass wir alle in diesen Raum gehen. Egal auf welcher Veranstaltung ich war, ob jetzt das Halligalli-Drecksaufest mit Punk-Musik – gut, da bin ich großer Fan von – oder eine Lesung oder eine Ausstellung: du kommst hier rein, keiner guckt doof und du gehörst hier mit dazu. Und das ist für mich wichtig.
Das erinnert mich an das Goethe-Zitat „Hier bin ich Mensch, hier darf ich‘s sein“. Ich glaube Annemarie hat das im letzten Interview ebenfalls betont: ins Gasparitsch kannst du einfach kommen und bist willkommen, unabhängig davon wie und wer du bist. Was sind deine Highlights und Tiefpunkte im Bezug auf das Gasparitsch?
Ein Highlight ist auf jeden Fall das Nachbarschaftsfrühstück. Es sind immer die gleichen Leute, die hier reinkommen, fast eine Art Stammkundschaft. Gleichzeitig ist das durch Corona auch ein Tiefpunkt. Da es ein offener Raum ist und wir versäumt haben einfach nach etwas mehr als nur dem Vornamen zu fragen, war es schwer Kontakt zu halten. Ich hätte gerne in dieser Zeit zumindest von diesen BesucherInnen den Kontakt gehabt. Durch unseren Bringservice mit den Frühstückstüten, haben wir diese Menschen nicht erreicht. Das hat mich schon etwas traurig gemacht. Eines der Highlights ist tatsächlich auch unsere neu gegründete Häkelgruppe. Ich finde den Namen zwar nach wie vor strange: Häkelgruppe. Aber das Schöne: da sitzen ganz junge und alte Menschen und häkeln. In Hochzeiten waren wir zu sechst. Das gemeinsame Thema ist erst mal das Stricken, aber es entstehen unheimlich interessante Gespräche und ein Miteinander. Die Wolle ist eigentlich nur der Auslöser, dass man hier hingeht. Und auch da gilt: es guckt niemand. Es ist Häkelgruppe und da setzen wir uns hin und häkeln einfach.
Letztes Mal im Gespräch war Corona sehr präsent und natürlich wird uns das Thema noch einige Zeit beschäftigen: was hat sich deiner Meinung nach (im Bezug auf das Gasparitsch) positiv und negativ durch Corona verändert?
Also positiv fand ich, dass der Austausch unter den aktiven Leuten nie abgerissen ist und man sich meist online kurzgeschlossen hat. Wobei online natürlich in einem Stadtteilzentrum, das von der direkten Begegnung lebt, etwas schwierig ist. Aber ich fand den Kontakt trotzdem positiv. Negativ habe ich wirklich empfunden, dass die Leute nicht mehr vor Ort waren. Also vor allem beim Frühstück, wo der Kontakt weg war. Ich hatte den Eindruck, dass die Leute, die zum Frühstück kamen, gezielt Kontakt gesucht haben und es war einfach so eine Anlaufstelle. Und da frage ich mich: wie treten wir jetzt wieder in Kontakt? Wie können wir zeigen: wir sind wieder da, uns gibt es noch, kommt wieder! Ich glaube das wird eine relativ große Herausforderung sein.
Vor allem bei Menschen, die nicht online unterwegs sind, also nicht auf der Gasparitsch-Homepage schauen oder bei Facebook und die auch nicht freitags zur Kneipe kommen.
Und das war auch zum Großteil das Klientel beim Frühstück. Mein Plan ist, dass ich zukünftig eine Liste auslege und frage, ob die Menschen uns zumindest eine Adresse oder auch eine Telefonnummer geben, damit man ihnen Flyer schicken kann. Ich meine, wenn die Leute einverstanden sind, kann man das ja machen.
Das wäre gut gewesen, sich gerade bei diesen Leuten in Erinnerung zu rufen und nachzufragen, was sie gerade brauchen und wie es ihnen geht. So gut und wichtig die digitalen Formate sind, durch Corona ist einfach etwas weggebrochen.
Ja und online ersetzt das nicht, so gut es auch war, dass wir gezeigt haben: uns gibt es noch. Wir haben ja auch diese Briefaktion gemacht und haben gesagt: schickt uns Briefe, wir antworten drauf. Es ging uns, wie du gesagt hat einerseits darum, uns immer wieder in Erinnerung zu rufen, aber auch um das Interesse, zu erfahren, wie es den Menschen da draußen geht. Deshalb finde ich auch die Idee mit Kaffee am Mittwochnachmittag super. Da kannst du einfach vorbei gehen, Kaffee trinken und ein Schwätzle halten. Und ich glaube, die Leute brauchen es, dass sich jemand einfach Zeit nimmt und man unverbindlich dort hinkommen kann. Und vielleicht brauchen die Menschen auch einfach den Ort, vielleicht brauchen sie das Gasparitsch. Das Mittwochskaffee war ja auch von Anfang an ein großer Erfolg, sodass mittlerweile Kinder vorbeikommen und ihnen kleine Pakete mit z.B. Bleistiften rausgegeben werden.
Da wurden mit Idee des Mittwochskaffee offensichtlich offene Türen bei den Menschen aus dem Stadtteil eingerannt. Letzte größere Frage im Interview: was ist – nicht nur coronabezogen, sondern auch längerfristig – deine Vision oder dein Wunsch fürs Gasparitsch?
Mein Wunsch ist, dass wir die Möglichkeit haben, die verschiedenen Ideen, die es gibt, auch umzusetzen. Dass es Aktive gibt, die sagen: „Ich steh jetzt dahinter und schubs dieses Thema mal an.“ Und dass dieser Gedanke, selber etwas tun zu dürfen und etwas tun zu können, doch auf mehrere Schultern verteilt wird. Es ist manchmal schon so ein „inner circle“ im Gasparitsch und es wäre schön, wenn da noch der ein oder andere seine Neigung findet. Vielleicht sagt ja jemand: „Ich bin ein großer, verkappter Journalist, der nie erkannt worden ist und ich mach jetzt beim gaspa-Blättle mit.“ Oder wenn jemand noch in die Vorbereitung vom Frühstück einsteigt oder beim Spielnachmittag mitmacht.
Also deine Vision: noch mehr Menschen ins Gasparitsch holen. Einerseits mehr Aktive, damit sich mehr engagieren. Aber auch mehr Menschen ansprechen und ein breiteres Angebot haben, sowohl für die ganz Kleinen als auch für die Hochbetagten.
Das wäre meine Vision: ein Stadtteilzentrum, das von den Besuchern und mit den Besuchern lebt. Nur so kann es funktionieren. Und wenn dann die 84-Jährige Dame sagt: „Ich mach den Strickkreis.“ und es finden sich welche und stricken, dann finde ich das super. Wir hatten auch schon Yoga hier. Da war ein relativ großes Interesse und dann kam die Idee auf: „Ich unterrichte Yoga und könnte sonntags eine Yoga-Gruppe anbieten.“ Und die Yoga-Gruppe war immer knackevoll, richtig gut besucht. Oder ich kann mir auch eine Tischtennis- oder Fußballgruppe oder so was hier gut vorstellen. So etwas wie z.B. die Yoga-Gruppe entsteht aber nur, wenn man diesen Raum schafft, wenn man diese Infrastruktur stellt, als Gasparitsch und eine gewisse Vision dahinter hat und sagt: wir möchten, dass es schon vielfältig ist. Und ich glaube, wenn man zeigt, dass so was möglich ist, ist das auch ein Signal an den Stadtteil und es trauen sich viel mehr Menschen. Die Leute können hier einfach Angebote ausprobieren und sie werden dafür nicht bewertet. Dann übernehmen Leute auch Verantwortung, was sie in dieser Form wahrscheinlich im normalen geschäftlichen Umfeld nicht machen würden, weil sie dort bewertet und beurteilt werden.
Mal schauen, was noch kommt. Es mangelt offensichtlich nicht an Ideen und Möglichkeiten. Kommen wir zum Abschluss noch zu zwei schnellen Fragen. Stell dir vor, es ist Freitagabend und Kneipe im Gasparitsch: was trinkst du am liebsten in der Kneipe?
Ein Weißwein.
Pur oder…?
Pur. Aber nicht süß, bitte.
Und nun noch zur Aufgabe, die bei Gasparitsch-Fragerunden nie fehlen darf. Vervollständige bitte den Satz: denk‘ ich ans Gasparitsch, denk‘ ich an…
Viele nette Leute, viele tolle Veranstaltungen und auch an viel Arbeit. Und das darf man glaub auch sagen, dass es manchmal viel Arbeit ist. Küche ausputzen, vor jedem Frühstück aus dem Kühlschrank erst mal alles rausräumen, was da nicht mehr rein gehört. Und trotzdem macht es Spaß, sonst würde ich das alles sicherlich nicht machen.
Nachbarschaftsfrühstück
Gemeinsam frühstücken, plaudern und miteinander in den Sonntag starten. Neben dem Grundstock gibt es nach Ankündigung auch Spezialfrühstücke. Über mitgebrachte Speisen für alle freuen wir uns besonders.
Jeden 1. Sonntag im Monat von 11 bis 14 Uhr
Offenes Gasparitsch Treffen
Beim offenen Gasparitsch Treffen ist jede*r eingeladen Ideen einzubringen, sich aktiv an der Gestaltung des Gasparitsch zu beteiligen, mitzumachen und mitzugestalten.
Jeden letzten Dienstag im Monat um 19 Uhr
Häkel- und Handarbeitsgruppe
Du hast Lust auf Handarbeiten beim gemütlichen Beisammensein? Dann it die Häkel- und Handarbeitsgruppe genau richtig für Dich.
Jeden 1. Sonntag im Monat von 15 bis 17 Uhr