&

„Ein kleines Stück Kreuzberg in Stuttgart“ – Interview mit dem Anti-Stöckach-Stöckach Club

Möchtest du eure Initiative kurz vorstellen?

Entstanden ist der Anti Stöckach Stöckach Club in der Zeit als ich privat von Stuttgart-West nach Bad Cannstatt gezogen bin und wir zur gleichen Zeit mit der Agentur von Stuttgart-Süd an den Stöckach. Für mich hatte Stuttgart bis dahin ein Schnösel-Image und wir sind mit den Umzügen ein bisschen in die schmutzigeren Viertel gekommen. Das fanden wir richtig geil, weil wir alle im Grunde keine Freunde sind von Gentrifizierung und Schickimicki. Ich finde, am Stöckach findet man einfach eine gewisse bunte Mischung von Leuten vor und die Läden spiegeln das wider. Wir haben das komplett gefeiert und dachten: okay, hier kann man sich ein bisschen mehr ausleben. Und während die anderen Stadtteile Stuttgarts schon eine starke „Lobby“ in der Stadtbevölkerung haben, war der Stöckach weitestgehend unbeachtet. So ist das [der ASSC] aus einer Spaßidee raus entstanden.

Und woher kommt der Name?

Der Name kommt vom Antisocialsocialclub. Da steckt ein Paradoxon drin: dieses anti-social, aber trotzdem ein Social Club. Wir haben das übertragen auf den Stöckach. Wenn die Leute über den Stöckach reden, ist es oft ein bisschen abfällig. Hier ist es irgendwie schmutzig, es ist halt ein bisschen was los. Und trotzdem verbindet uns alle so eine kleine Liebe zum Stöckach. Also an sich ergibt dieses Wortkonstrukt keinen Sinn, aber wenn man den Hintergrund kennt, dann ist es eben so: ja, der Stöckach ist nicht Stuttgart-West, hier ist nicht alles clean und glänzt – aber es ist unser Stadtteil. Das hat am Anfang oft für Verwirrung gesorgt, weil viele Leute es fehlinterpretiert haben und dachten, dass wir dagegen sind. Also Anti Stöckach Club. Es hat ein bisschen gedauert, bis die Leute es verstanden haben. Wir spielen mit diesen Kontrasten und es geht uns eigentlich darum den Stadtteil zu stärken und das Positive herauszukitzeln.

Bevor wir darüber sprechen, was ihr schon gemacht habt und was eure Ziele sind: welche Menschen sind denn Teil des Anti Stöckach Stöckach Club?

Wir stehen zwar als zwei „Gründer“ des Clubs im Vordergrund und fungieren als Sprachrohr, im Endeffekt ist das Ganze aber aus einer Gemeinschaft heraus entstanden und wir sind als Kollektiv unterwegs. Alles, was wir tun, wäre nicht möglich ohne jede Menge Menschen, die uns dabei tatkräftig unterstützen und eigene Ideen und Motivation mit einbringen. Es sind viele aus der Kreativ- und Agenturszene, aber auch andere Leute. Im Grunde genommen ist es ein sehr loser Zusammenschluss. Es kommen neue Leute dazu, die Bock haben mitzumachen oder auch Ideen einbringen. Teilweise ist es sogar so, dass wir „Gründer“ eigentlich im Hintergrund sind und gar nicht mehr so viel machen. So wollen wir es auch haben. Es geht bei unserem Club nicht um einen Personenkult, sondern er ist eine offene Plattform für kreative Ideen und Aktionen.

Und alle eint die Liebe zum Stöckach?

Ja, voll! Im Anti steckt auch ein bisschen die Abwehrhaltung. Nicht gegen die restlichen Stadtteile Stuttgarts, sondern es hat einfach einen Reiz diesen Rohdiamanten zu nehmen und daraus was zu machen. Der Stöckach bietet einfach sehr viel Raum, um auf soziale Missstände aufmerksam zu machen, weil man dort mit allem Möglichen konfrontiert wird.

Insgeheim ist es natürlich auch eine Liebe zum Stuttgarter Osten im Allgemeinen, oder?

Absolut! Wir haben anfangs immer den Witz gemacht, dass der Stöckach wie das Kreuzberg von Stuttgart ist. Und irgendwann haben wir ein Video von einer Immobilien Plattform gesehen, wo mit der Aussage eines Kiosk-Besitzers aus den 2000er-Jahren für den Stöckach und den Stuttgarter Osten Werbung gemacht wurde. Da hat der Besitzer tatsächlich gesagt, Stuttgart-Ost oder der Stöckach sind ein kleines Stück Kreuzberg in Stuttgart. Es gab also schon Leute vor uns, die das so empfunden haben.

Der Reiz war auch, dass eigentlich gar nicht so klar war was der Stöckach eigentlich ist: ist der Stöckach jetzt ein Stadtteil, ein Viertel, nur dieser Platz oder die Haltestelle? Ich fand es ganz interessant zu sagen: ist doch egal! Der Stöckach ist für uns mehr ein Lebensgefühl. Darauf sind wir dann in späteren Aktionen ein bisschen eingegangen, bei denen wir damit gespielt haben, diese Grenzen von „wir“ und „die anderen“ aufzuheben. Es war dann eher so: wenn du Bock hast zum Stöckach zu gehören, dann bist du eingeladen, auch wenn du z.B. im Westen wohnst.

Das ist sehr cool, weil damit diese Lokalisierung aufgebrochen wird und es eher so eine Art Gefühl ist. Das stimmt sehr stark mit dem überein, was wir als öffentlichen Raum verstehen. Also öffentlicher Raum kann eigentlich alles sein, Hauptsache es können Menschen daran partizipieren.

Ja, total! Mit Corona kam der Begriff der Querdenker*innen auf und in dem Zuge dann auch immer mehr der Begriff von Nazis und Abgrenzung zu solchen Gruppierungen. Gleichzeitig haben wir zu der Zeit die zunehmende Problematik der Flüchtlingsbewegungen beobachtet, mit denen wir uns weitaus weniger solidarisch zeigen, als mit Menschen vor der eigenen Haustüre. Im Kollektiv kam dann die Frage auf: wo ziehen die Leute ihre Grenzen? Also die Grenzen, wo man plötzlich sagt, die gehören zu uns, denen hilft man und wer gehört im Umkehrschluss nicht mehr zu uns? Bei uns ist danach immer der Begriff des global citizens gefallen. Also wir wohnen alle auf diesem Planeten – fertig! Und wenn Leute an der Grenze zu Deutschland stehen und nicht reinkommen, dann sind es genauso Leute von uns, wie diejenigen, die drüben auf der anderen Straßenseite sitzen und ihre Probleme haben. Aber man tendiert immer dazu, irgendwo persönliche Grenzen zu ziehen und da wollen wir mit Aktionen zum Nachdenken anregen. Wer sind wir? Wer sind die anderen? Wo zeigt man sich solidarisch?


Das ist doch auch eine gute Gelegenheit über eure Aktionen zu sprechen. Was für Aktionen hattet ihr denn schon und wie viele habt ihr denn schon gemacht?

Ich glaube wir sind bei 5 oder so, ich weiß es gerade nicht. Wir haben irgendwann angefangen mit „..und dieses war der erste Streich und der zweite folgt sogleich“, wie bei Max und Moritz. Demnach gibt es auch nur, ich glaube, sieben oder neun Streiche und dann sind wir am Ende.

Wir hatten zuerst diese Pferdeaktion, die uns als Jux und Tollerei gedient hat und es war lustig. Wir haben dem Pferd von Jung von Matt eine Atemschutzmaske aufgezogen als Corona losging. Das war genau an dem Tag als die Maskenpflicht eingeführt wurde. Im Endeffekt war es die Blaupause für alles, was danach passiert ist. Wobei diese Aktion sehr unpolitisch war und die Aktionen danach mehr in so eine gesellschaftlich relevantere, sozial-politische Richtung abgedriftet sind.

Hat Jung von Matt eigentlich darauf reagiert?

Ja, wir haben danach mit ihnen gesprochen und wurden in die Agentur eingeladen. Die haben das mit Humor genommen. Also es gab keine Anzeige. Es war ja tatsächlich so, dass diese Aktion ja irgendwie sehr Anti rüberkam. So nach dem Motto: wir machen was mit deren Wahrzeichen und das ist nicht erlaubt. Es führte am Ende aber zu der ersten Erfahrung, dass wir was Verbotenes gemacht haben und dadurch Leute zusammengekommen sind und wir uns am Ende einig waren, dass es dem Stadtteil gut getan hat und die Menschen sich darüber amüsieren konnten.

Und genau darin manifestiert sich auch der Kerngedanke der Kunst-Installationen bzw. -Aktionen. Es geht neben sozialkritischer Aspekte auch immer darum, in Frage zu stellen: Was ist richtig und was ist rechtens? Nicht alles, was einem das Gesetz vorschreibt ist moralisch korrekt und umgekehrt gibt es Sachen, die sind nicht rechtens, obwohl sie sich richtig anfühlen.

Das war offensichtlich eine gute Erfahrung für euch, ansonsten hättet ihr nicht weitergemacht. Welche Aktion kam als Nächstes?

Das Zweite, was wir gemacht haben, war die erste Sache, die auch einen sozialkritischen Anspruch hatte. Der Wasen war ausgefallen wegen Corona und ich habe dann einen Bericht gesehen von Stuggi.tv. Da ging es darum, dass den Pfandsammler*innen, die normalerweise beim Wasen den Umsatz des Jahres machen, die ganzen Einnahmen wegbrechen. Das war für mich ein interessanter Punkt, wo ich gesagt habe: hier regen sich gerade alle auf, dass sie jetzt drei Wochen nicht saufen können und keiner denkt aber an diejenigen, die auch davon partizipieren, denen es aber noch viel beschissener geht. Wir haben schließlich kein echtes Problem, wenn wir uns nicht vollsaufen können, aber es gibt Leute, auf die hatten diese Entscheidungen tatsächlich weitreichende, negative Auswirkungen.

Weil wir in der Agentur ein relativ großes Pfandvorkommen haben, wollten wir die Idee spreaden, dass man sein Pfand vor die Tür stellt und somit den Pfandsammler*innen eine „Überbrückungshilfe“ gibt, wenn man so möchte. Es geht gar nicht um den einzelnen Kasten oder um die drei Mark fünfzig, sondern eher, mal zu überlegen, ob man nicht irgendwas tun könnte, um denen, denen es richtig beschissen geht, das Leben einfacher zu machen. Wir haben dann auch Pfand gesammelt von überall her und daraus eine Art Kunstinstallation gemacht. Um den Bezug zum Wasen herzustellen, haben wir an jeden Kasten ein Lebkuchenherz geklebt, die Kästen auf dem Stöckachplatz drapiert und das Ganze auch in Videoform festgehalten, um es so der Öffentlichkeit zu übergeben. Durch die Aktion hatten wir einen kleinen Impact für die Leute, die tatsächlich an der Aktion partizipiert haben und natürlich auch für ein paar hundert Leute, die von der Aktion mitbekommen haben und die wir dadurch hoffentlich ein bisschen zum Nachdenken angeregt haben.

Da ich eure Instagram- und YouTube-Kanäle kenne, weiß ich natürlich, dass es nicht bei diesen beiden sozialkritischen Aktionen geblieben ist.

Das stimmt. Ich weiß gar nicht, wie die Reihenfolge ist, aber ich glaube die nächste Aktion war die Heckler & Koch-Installation. Heckler & Koch sitzt in Oberndorf am Neckar. Da fährt man praktisch immer vorbei, wenn man in den Süden fährt. Einer der größten Waffenexporteure der Welt, nur 80km von hier. Also wir interessieren uns alle für Umwelt, Globalisierung und so weiter. Riesige Themen. Aber Oberndorf am Neckar, wo man einfach mal hinfahren kann, was da passiert, das blenden die meisten Menschen hier aus. Und die meisten Leute wissen es auch nicht und es spielt in der Regionalpolitik auch keine Rolle – mit Sicherheit auch einer gewissen Lobby-Arbeit und wirtschaftlicher Motivation geschuldet. Da dachten wir: Wenn es niemand anders macht, dann machen wir eben darauf aufmerksam. Daraufhin haben wir angefangen, uns näher mit Heckler & Koch zu beschäftigen und in welche Machenschaften das Unternehmen international verwickelt ist. Da sind wir auf diese Kartellmorde in Mexiko gekommen, wo viele Menschen mit Heckler & Koch-Waffen getötet wurden. Nach deutschem Gesetz – also nicht mal, weil wir moralisch nicht dahinterstehen – hätten die Personen und Gruppierungen, die damit herum schießen, diese Waffen niemals bekommen dürfen. Das lässt sich alles recherchieren. Am Ende ist Heckler & Koch quasi mit einem blauen Auge aus dem Prozess gekommen – auch wenn der Prozess und das Urteil mehr als fragwürdig sind. Wir wollten deshalb den Bezug herstellen zwischen diesen Morden in Mexiko und dem, dass die Waffen hier aus der Region kommen. Uns war klar, dass wir eine Spannungskurve brauchen, um dann die Bombe platzen zu lassen, damit die Leute sagen: krass, was da abgeht! So entstand die Idee, dass wir Heckler & Koch ein Denkmal bauen. Jeder hier in der Region akzeptiert zwar stillschweigend, dass auf der ganzen Welt Menschen mit Waffen von hier ermordet werden, aber keiner will hier Heckler & Koch-Werbung vor der Tür sehen, da würde man sich beschweren. Und genau das wollten wir machen: wir bauen denen ein Denkmal, um Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Nur einfach ein Denkmal zu bauen, hätte aber niemand geschockt.

Wir haben dann zuerst diesen Hollywood-Schriftzug für den Schlossgarten gebaut, um erst mal etwas zu erschaffen, das Aufmerksamkeit und Neugierde generiert, worüber sich die Leute freuen und Selfies machen. Das hat super geklappt. Die Presse ist von alleine aufgesprungen, z.B. das Land Baden-Württemberg hat den Schriftzug stolz auf ihrer Twitter-Seite mit „Hollywood in Stuttgart“ gepostet.

Dann haben wir einen Trailer gepostet und uns praktisch dazu bekannt, dass wir dafür verantwortlich sind. Somit hatten wir das öffentliche Interesse und Sympathiepunkte auf unserer Seite. Dabei haben wir aber noch unklar gelassen, wie es weitergeht. Der Hollywood-Schriftzug wurde ein paar Tage später von alleine entfernt oder Leute haben die Schriftzeichen geklaut – zumindest war der Schriftzug kurze Zeit später schon nicht mehr da.

Jedenfalls haben wir das Ganze dann später durch den Heckler & Koch-Schriftzug ersetzt. Die Headline bzw. die Idee der ganzen Kampagne: hier ist nicht Hollywood, hier ist Heckler & Koch. Und zwar gleich da drüben. So hatten wir dann die Kurve gespannt von einer lustigen Aktion mit dem Pferd über die Situation mit Pfandsammler*innen und Wasen in Stuttgart bis hin zu etwas, worauf man in der Region mal sein Augenmerk legen sollte.

Was bekommt ihr denn für Rückmeldungen auf eure Aktionen?

Zu 99% kriegen wir Zuspruch. Bis auf eben die Justiz, die dies nicht so cool findet. Ich will jetzt nicht sagen die Oberschicht, aber natürlich sind es Themen, die eher so ein bisschen auf sozial schwächere Themen eingehen und auch auf ein gesundes Miteinander.

Wir haben auch T-Shirts gemacht, eine super kleine Auflage, die wir ursprünglich nur für uns gemacht haben. Dann ging es über Social Media mit den Anfragen los und ich glaube, wir haben 130 T-Shirts verkauft und das bei 550 Follower:innen auf Instagram. Das hat uns dann wirklich supported.

Es waren ganz viele Leute hier aus dem Stuttgarter Osten, bei denen ich die Shirts persönlich eingeworfen habe. Viele wollten sie abholen, weil sie Bock hatten, mal kurz mit uns zu schnacken. Richtig geil war aber auch, dass wir fünf oder zehn Leuten Sachen nach Berlin, Frankfurt oder Köln geschickt haben. Weil uns Leute geschrieben hatten, „ich habe früher im Stöckach gewohnt und ich weiß genau was ihr meint, ich feier es komplett!“. Und dann haben wir denen in ihre neue Heimat so ein Stückchen Stöckach geschickt. Also grundsätzlich echt gutes Feedback.

Werden wir etwas allgemeiner: Was bedeutet für euch öffentlicher Raum und wie muss dieser gestaltet sein, dass wir uns darin wohlfühlen und dass er für alle lebenswert ist?

Für mich ist öffentlicher Raum in aller erster Linie ein sozialer Raum. Also sobald ich rausgehe, bin ich in Interaktion mit Leuten und nicht mehr allein. Das heißt, mein Handeln hat Auswirkungen auf andere und das Handeln der anderen hat Auswirkungen auf mich. Werden wir uns dessen alle ein bisschen bewusster, dann könnten wir es uns, glaube ich, ein bisschen gemütlicher machen. Dann könnte der Weg zur Arbeit netter sein als er ist, wenn wir nicht alle in der Bahn so tun würden, als würden wir einander einfach nicht bemerken. Ich glaube, das entscheidende für mich am öffentlichen Raum ist eben diese soziale Komponente. Deswegen stören wir uns z.B. auch am Leerstand im Osten. Der halbe Osten steht ja leer. Das EnBW Areal, die Schule am Stöckachplatz, vorne beim Penny… Das sind unfassbar viele Quadratmeter, obwohl wir Leute haben, die nach Flächen suchen – zur Zwischennutzung, Künstler*innen, Leute, die Wohnungen suchen. So was stört mich. Denn das ist öffentlicher Raum, der nicht genutzt werden darf. Dabei könnte das ein sozialer Raum sein. Aber das ist verboten und damit wird das eigentlich zu einem antisozialen Raum. Ich glaub das Wichtigste am öffentlichen Raum ist die soziale Komponente.
Auch hier wird wieder der Kerngedanke von Recht und Gerechtigkeit deutlich: Wir haben hier auf der einen Seite jede Menge Menschen, die nach freien Flächen suchen, und auf der anderen Seite jede Menge freie Flächen, die aber nicht genutzt werden dürfen. Das ist paradox.

Super spannender Aspekt. Der Gedanke, dass öffentlicher Raum auch immer gleichzusetzen ist mit einem sozialen Raum, trifft auch noch mal das, wovon wir es vorher auch hatten. Letzten Endes dieses Zusammenbringen von Menschen, sie auf Sachen aufmerksam machen, um daraus auch wiederum was abzuleiten für ein solidarisches Miteinander. Du hast vorher genannt, dass Stuttgart-Ost ein bisschen Kreuzberg in Stuttgart ist. Gerade im Osten hast du den Raum, tatsächlich mal andere Leute, deren Lebensgeschichten und Erfahrungen kennenzulernen, was ja woanders kaum möglich ist.

Ja, voll! Was auch dazugehört und was vielleicht manche nicht zum öffentlichen Raum zählen würden, sind Geschäfte und Institutionen und so weiter. Für mich gehört zum Stöckach erst mal der Roundhouse Burger, Dilgelay, Stern Kebap, Friseur 2000. Die Türen sind offen, da kann man reingehen. Es ist auch wieder so ein Thema, was mich fasziniert: wir Deutschen essen unfassbar gerne Döner. Wir rennen die ganze Zeit in Dönerläden. Ich stelle aber fest, dass ganz wenige Deutsche ein freundschaftliches Verhältnis zu ihrem Dönerladen aufbauen, denn die sind dann doch irgendwie wieder Fremde. Und das fand ich am Stöckach von Anfang an voll geil: wir suchen den Kontakt, ich will, dass man sich hier gegenseitig kennt und unterstützt. Wir haben dann z.B. auch unseren Instagram-Kanal genutzt oder nutzen ihn immer noch, wenn ein Laden hier neues Personal sucht, dann teilen wir das auf jeden Fall. Oder wenn Dilgelay was im Sonderangebot hat, dann nutzen wir das als Plattform um das zu spreaden. Und um nochmal einen Step weiterzugeben: als wir unsere T-Shirts produziert haben, haben wir uns auch wieder nach Anbieter*innen umgeschaut und sind dann zu „7 Siebe“ nach Feuerbach, die eine karitative Einrichtungen sind, wo Ex-Drogenabhängige die Möglichkeit bekommen, sich am Siebdruck zu versuchen und dadurch wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden. Das Erste, was wir gemacht haben war, dass wir ihnen eine Mail geschrieben und gesagt haben, was wir so ungefähr machen und was wir von denen wollen. Also erst mal gar nicht auf dieser geschäftlichen Ebene. Eher so: „Hey, wir finden es cool, was ihr macht. Und das hier machen wir. Lasst erst mal treffen und quatschen.“ Dann sind wir dahin gedüst und haben uns das mal angeschaut, haben uns rumführen lassen und so gefühlt direkt neue Freund*innen gefunden.

Das bringt es auf den Punkt: Du gehst nicht nur auf den Platz und hängst Plakate auf, sondern es geht um soziale Interaktionen und damit auch um die Gestaltung des öffentlichen Raums. Und somit wird jede*r und jede Interaktion zu einem Beitrag für ein besseres Lebensumfeld.

Genau das ist vielleicht sogar der Kern von vielen unserer Aktionen, dass man sich dessen einfach nur ein bisschen bewusster sein sollte. Ich war vielleicht gerade zu Hause und hatte schlechte Laune. Aber in dem Moment, wo ich raus gehe, gehe ich unter Leute. Die kann ich nutzen, um selbst eine bessere Laune zu bekommen. Ich kann entweder mit einem Grinsen rausgehen oder ich kann die Leute blöd angucken und trage damit direkt zu deren Stimmung bei. Wenn sich nur die Hälfte von den Leuten davon dazu entscheidet, einfach bewusst zu sagen, „ich bin höflich zu dem/der, der/die vorbeiläuft und ich nehme ihn/sie bewusst als Mitmensch war“, dann könnte man einfach dieses soziale Miteinander oder den öffentlichen Raum (wenn man den so nennen will) schöner und sozialer gestalten.

Nun zur letzten Frage: möchtest du noch irgendwas loswerden oder möchtest du uns noch etwas mit auf den Weg geben?

Dass es weiter geht, auch wenn es gerade sehr still ist um uns. Aber wir schlafen nur, wir sind nicht tot.


Facebook & Instagram:
Anti-Stöckach-Stöckach Club


CategoriesAllgemein