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Back to reality – oder lieber doch nicht?

Vor dem Computer rumhängen und durch Stuttgart-Ost streifen sind zwei meiner Lieblingsbeschäftigungen. Manch eine:r mag das Gammeln nennen, ich nenne es Leben – so oder so ähnlich begegne ich den Unkenrufen von Menschen, die weder dem analogen noch dem digitalen Flanieren etwas abgewinnen können.

Beides miteinander kombiniert birgt einerseits die Gefahr beim Blick auf das Handy überfahren zu werden, andererseits aber auch Überraschungen – so wie ChatGPT. Gefeiertes KI Tool, das – wenn man denn den Stimmen so glauben darf – bald die Macht übernehmen wird. Grund genug für mich das Ganze mal zu testen und ChatGPT mit knappen Wortvorgaben nach meinem Lieblingsstadtteil zu befragen:

„Stuttgart-Ost: Tradition und Moderne treffen aufeinander. Historischer Marktplatz, Theaterhaus, Rosensteinpark und kulinarische Vielfalt – ein bunter Stadtteil.“

Ein bunter Stadtteil – ja, da kann ich mitgehen. Schwieriger wird es dann mit dem historischen Marktplatz, dem Theaterhaus und dem Rosensteinpark – oder hat ChatGPT den innerkapitalistischen Drang nach Expansion schon so verinnerlicht und kündigt die Großmachtfantasien des Bezirksbeirats an? Ich weiß es nicht.

Nach einigen weiteren Details gefragt verrät mir ChatGPT auch noch, dass es einige schöne Grünflächen in Ostheim gibt,

„wie den Ostheimer Friedhof oder den Erwin-Schoettle-Platz, die zum Entspannen und Verweilen einladen.“

Algorithmus hin oder her… die Erwähnung des Erwin-Schoettle-Platz* macht mich einmal mehr unsicher ob der politischen Ambitionen von Stuttgart-Ost. Und bei aller Liebe, auf dem Ostheimer Friedhof aka Bergfriedhof möchte ich (zumindest aktuell) eher ungern entspannen oder verweilen.

Desillusioniert und etwas enttäuscht darüber, dass ich meine Kolumne jetzt doch noch selber schreiben muss … darf, frage ich mich… brauchen Menschen eigentlich künstliche Intelligenz? Nach vielem Hin und Her komme ich zur Antwort: Es kommt drauf an.
Es kommt drauf an wozu sie eigentlich eingesetzt wird. Geht es darum die Zeit, die wir als Menschen haben, sinnvoller im Sinne einer gesellschaftlichen Entwicklung, im Sinne eines zwischenmenschlichen Zusammenseins und im Hinblick auf menschliche Bedürfnisse – nutzen zu können und Arbeiten von Algorithmen erledigen zu lassen? Oder geht es darum nur noch effektiver und optimierter zu arbeiten und unsere Zeit und unser Leben damit noch weiter zu verknappen?
Damit einher kommt die Frage: Wofür wird eine künstliche Intelligenz genutzt in einer Gesellschaft, die darauf ausgelegt ist so viel Profit wie möglich zu erwirtschaften?

Da die Frage eher eine rhetorische ist, stelle ich ChatGPT eine andere: Wofür könnte KI in einer befreiten Gesellschaft genutzt werden?

„In einer befreiten Gesellschaft, die sich auf die Bedürfnisse und das Wohlergehen der Menschen konzentriert und nicht auf die Maximierung von Profiten, könnte KI für eine Vielzahl von Zwecken genutzt werden, um das Leben der Menschen zu verbessern und gesellschaftliche Probleme zu lösen.“

Es kommt also drauf an. Beseelt von der Idee, dass technologischer Fortschritt also auch unter den richtigen Umständen zu unserem Vorteil genutzt werden könnten, schalte ich den Rechner aus, widme mich – ganz ohne KI – den Vorzügen des analogen Flanierens.


* Der Erwin-Schoettle-Platz liegt in Stuttgart-Süd

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